Die Serien mit den größten Skandalen

Serien sind oft Spiegel ihrer Zeit – und manchmal das Zentrum großer Kontroversen. Ob Fehlverhalten von Stars, Produktionschaos oder tragische Zwischenfälle: Manche Formate wurden von Ereignissen überschattet, die weit über den Bildschirm hinaus wirkten. Dieser Artikel blickt auf die größten und wahrheitsgemäß belegten Skandale der Serienwelt.
Der Fall Kevin Spacey – House of Cards und das Ende einer Ära
Als Netflix 2013 mit House of Cards startete, markierte die Serie einen Wendepunkt in der Fernsehgeschichte. Sie war das erste große Eigenprojekt des Streamingdienstes, das Kritiker und Publikum gleichermaßen begeisterte – getragen von Kevin Spacey in der Rolle des skrupellosen Politikers Frank Underwood. Spacey galt als einer der meistgefeierten Schauspieler seiner Generation, zweifacher Oscarpreisträger und Aushängeschild des neuen Streaming-Zeitalters.
Doch im Oktober 2017 kam es zum Bruch: Der Schauspieler Anthony Rapp warf Spacey in einem Interview mit „BuzzFeed News“ vor, ihn 1986 – damals war Rapp erst 14 Jahre alt – sexuell bedrängt zu haben. Kurz darauf meldeten sich weitere Männer mit ähnlichen Vorwürfen, teils aus der Zeit der Dreharbeiten von House of Cards. Netflix und die Produktionsfirma MRC reagierten innerhalb weniger Tage und setzten die Produktion der sechsten Staffel zunächst aus. Nur eine Woche später folgte die endgültige Entscheidung: Kevin Spacey wurde entlassen, seine Figur verschwand vollständig aus der Serie.
Netflix erklärte in einer offiziellen Mitteilung, man werde „keine weitere Zusammenarbeit mit Kevin Spacey“ fortsetzen. Die sechste Staffel wurde mit Robin Wright als zentraler Hauptfigur fertiggestellt – eine außergewöhnliche Maßnahme, die es zuvor in dieser Form noch nicht gegeben hatte. MRC leitete zudem eine interne Untersuchung ein, bei der mehrere Crewmitglieder bestätigten, Spacey habe sich am Set unangemessen verhalten. 2022 wurde der Schauspieler in einem Schiedsverfahren von einem Gericht in Los Angeles dazu verurteilt, rund 31 Millionen US-Dollar an die Produktionsfirma zu zahlen, um entstandene Kosten und Schäden zu decken.
Der Fall Spacey gilt bis heute als Zäsur für die gesamte Branche: Er löste Diskussionen über Machtmissbrauch, Abhängigkeiten und Verantwortung in der Film- und Serienproduktion aus – Themen, die durch die #MeToo-Bewegung weltweit an Bedeutung gewannen. Netflix stellte nach dem Skandal interne Kontrollmechanismen neu auf und führte verpflichtende Schulungen zu Arbeitsverhalten und Gleichbehandlung ein. House of Cards endete 2018 – ohne Frank Underwood, aber mit einem deutlich veränderten Bewusstsein für die Grenzen von Ruhm und Verantwortung.
Wenn ein Tweet alles zerstört – der Absturz von Roseanne
Das Comeback der legendären Sitcom Roseanne im Jahr 2018 war ein Sensationserfolg: Millionen Zuschauer schalteten ein, die Serie galt als Symbol für das „neue alte Amerika“ im Trump-Zeitalter. Doch der Triumph hielt nur wenige Wochen. Am 29. Mai 2018 veröffentlichte Hauptdarstellerin Roseanne Barr auf Twitter eine Nachricht über Valerie Jarrett, eine frühere Beraterin von US-Präsident Barack Obama. Sie schrieb sinngemäß, Jarrett sei die Tochter der „Muslimbruderschaft und des Planet der Affen“. Der rassistische Vergleich löste innerhalb von Minuten einen Sturm der Entrüstung aus.
Barr löschte den Tweet und entschuldigte sich öffentlich, doch der Schaden war irreparabel. Der Sender ABC reagierte umgehend: Nur wenige Stunden nach Veröffentlichung erklärte die damalige ABC-Chefin Channing Dungey, die Serie werde mit sofortiger Wirkung eingestellt – ein in der US-TV-Geschichte nahezu beispielloser Schritt. Wenig später startete das Spin-off The Conners, in dem Roseannes Figur gleich zu Beginn den Serientod stirbt. Die übrige Besetzung blieb erhalten, das Publikum blieb der Serie treu – doch Barr selbst war fortan aus Hollywood verbannt. Ihr Tweet gilt heute als Paradebeispiel für die Macht und das Risiko sozialer Medien in der Unterhaltungsindustrie.
Handgreiflichkeiten und schwere Unfälle – Top Gear zwischen Ruhm und Risiko
Kaum ein anderes Fernsehformat verband Unterhaltung, Waghalsigkeit und Kultstatus so stark wie die britische Autosendung Top Gear. 2015 jedoch endete die Ära Jeremy Clarkson abrupt: Nach einem Drehtag in Nordengland geriet der Moderator in einen heftigen Streit mit dem Produzenten Oisín Tymon, weil kein warmes Essen mehr verfügbar war. Der Disput eskalierte, Clarkson schlug Tymon und wurde daraufhin von der BBC suspendiert. Eine interne Untersuchung bestätigte den Vorfall, woraufhin die BBC den Vertrag des Stars kündigte. Seine Mitstreiter Richard Hammond und James May verließen das Format aus Loyalität – und die Sendung verlor innerhalb eines Tages ihr legendäres Trio. Der Skandal sorgte weltweit für Schlagzeilen und löste eine Debatte über Machtverhältnisse und den Umgangston in der Unterhaltungsbranche aus.
2016 starteten Clarkson, Hammond und May bei Amazon mit The Grand Tour neu, während die BBC versuchte, Top Gear mit wechselnden Teams am Leben zu halten. Doch die Sendung blieb unruhig. Im Dezember 2022 kam es während einer Testfahrt auf dem Dunsfold Aerodrome zu einem schweren Unfall: Moderator und Ex-Kricketspieler Freddie Flintoff erlitt schwere Verletzungen, nachdem ein Fahrzeug bei hoher Geschwindigkeit verunglückt war. Die Dreharbeiten wurden sofort gestoppt, die BBC leitete eine Untersuchung ein und entschuldigte sich öffentlich. 2023 erklärte der Sender, dass die Produktion von Top Gear auf unbestimmte Zeit ausgesetzt bleibe. Flintoff erhielt später eine Entschädigung, und die BBC überarbeitete ihre Sicherheitsstandards bei Action-Formaten grundlegend.
Beide Ereignisse – der Clarkson-Eklat und der Flintoff-Unfall – markieren Wendepunkte für die traditionsreiche Marke. Top Gear steht seither nicht nur für schnelle Autos und Ironie, sondern auch für die Erkenntnis, dass Kameras und Karrieren dort enden können, wo Verantwortung fehlt.
Tragödie im Live-TV – der Unfall bei Wetten, dass..?
Am 4. Dezember 2010 spielte sich in der Livesendung Wetten, dass..? eine Tragödie ab, die das deutsche Fernsehen tief erschütterte. Der damals 23-jährige Samuel Koch wollte mit Sprungstelzen über mehrere fahrende Autos springen – ein spektakulärer, aber riskanter Stunt. Beim vierten Sprung verlor er das Gleichgewicht und prallte frontal auf ein Fahrzeug. Moderator Thomas Gottschalk reagierte sofort, brach die Sendung sichtbar erschüttert ab, und das ZDF stoppte die Übertragung. Koch überlebte, ist seitdem jedoch querschnittsgelähmt.
Die Folge war ein Umdenken in der Fernsehlandschaft. Sicherheitsregeln für Live-Shows wurden verschärft, und die Diskussion um moralische Verantwortung von Sendern und Produzenten erhielt neue Bedeutung. Juristisch beschäftigte der Fall die Gerichte noch über ein Jahrzehnt: 2025 hob das Bundessozialgericht ein Urteil auf und verwies den Fall zurück – es geht um die Frage, ob Koch als Teilnehmer einer Unterhaltungsshow unter den gesetzlichen Unfallversicherungsschutz fällt. Das Verfahren zeigt, dass auch viele Jahre nach dem Unfall noch immer juristische und ethische Fragen offen sind.
Trotz allem blieb Koch präsent: Er veröffentlichte mehrere Bücher, wurde Schauspieler und Motivationstrainer – und wurde so zum Symbol für Stärke und Durchhaltevermögen nach einer der dunkelsten Stunden im deutschen Live-Fernsehen.
Manipulationsvorwürfe und psychischer Druck – Germany’s Next Topmodel
Seit ihrem Start 2006 polarisiert Heidi Klums Castingshow Germany’s Next Topmodel – doch 2023 erreichte die Kritik einen neuen Höhepunkt. Das NDR/funk-Format STRG_F veröffentlichte eine vielbeachtete Dokumentation mit dem Titel „Druck, Hass, Manipulation“, in der ehemalige Teilnehmerinnen über massive psychische Belastung, inszenierte Streitigkeiten und eine von Angst geprägte Atmosphäre hinter den Kulissen berichteten. Sie beschrieben, wie Produzenten gezielt Konflikte anheizten, um dramatische Szenen zu erzeugen, und wie Kandidatinnen mit der öffentlichen Reaktion oft allein gelassen wurden.
ProSieben und die Produktionsfirma Red Seven Entertainment wiesen die Manipulationsvorwürfe zurück, kündigten aber an, Abläufe künftig zu prüfen. Heidi Klum selbst betonte in einem Statement, alle Teilnehmerinnen seien „freiwillig und gut informiert“ Teil der Show. Dennoch löste die Debatte eine breite Diskussion über Ethik und Fürsorgepflicht im Reality-TV aus. Medienethiker forderten verbindliche psychologische Betreuung und klare Regeln, um den Schutz junger Kandidatinnen sicherzustellen.
Der Skandal um Germany’s Next Topmodel machte deutlich, wie dünn die Grenze zwischen Unterhaltung und Verantwortung geworden ist. Er zwang Sender und Produzenten dazu, über strukturelle Veränderungen nachzudenken – und zeigte, dass Quote allein längst kein Argument mehr ist, wenn menschliches Wohlbefinden auf dem Spiel steht.
Zwischen Glanz und Abgrund – The Idol und The Ellen DeGeneres Show
Auch in den glänzendsten Produktionen zeigt sich, dass Erfolg und Skandal oft eng beieinanderliegen. Bei HBOs Prestigeprojekt The Idol schien anfangs alles perfekt: Musiker Abel „The Weeknd“ Tesfaye produzierte gemeinsam mit Euphoria-Schöpfer Sam Levinson eine Serie über die dunklen Seiten des Popgeschäfts, mit Lily-Rose Depp in der Hauptrolle. Doch schon vor der Premiere im Mai 2023 berichtete das US-Magazin Rolling Stone über chaotische Produktionsbedingungen, massive kreative Eingriffe und den Vorwurf, das Drehbuch habe frauenfeindliche Züge angenommen.
Regisseurin Amy Seimetz, ursprünglich für die Serie verantwortlich, verließ das Projekt vorzeitig; weite Teile wurden neu gedreht, was die Kosten in die Höhe trieb. HBO verteidigte die Serie zwar öffentlich, doch die Veröffentlichung auf dem Cannes-Filmfestival führte zu gespaltenen Kritiken – einige lobten den Stil, andere bezeichneten das Werk als „provokant um der Provokation willen“. Nach nur fünf Folgen zog der Sender im August 2023 die Reißleine und erklärte, The Idol werde keine zweite Staffel erhalten. Die Serie wurde so zum Symbol für kreative Entgleisungen in einer Zeit, in der Streamingdienste um Aufmerksamkeit konkurrieren.
Ein anderer, aber ähnlich aufsehenerregender Fall spielte sich bei der The Ellen DeGeneres Show ab – einer Sendung, die jahrelang für gute Laune und positive Energie stand. 2020 geriet das Image ins Wanken, als mehrere frühere Mitarbeiter gegenüber BuzzFeed News von Mobbing, Angstkultur und unangemessenem Verhalten hinter den Kulissen berichteten. WarnerMedia leitete eine interne Untersuchung ein, in deren Folge drei leitende Produzenten entlassen wurden. Ellen DeGeneres selbst entschuldigte sich öffentlich in der ersten Folge nach der Sommerpause und übernahm die Verantwortung.
Trotzdem blieb der Schaden am Ruf bestehen: Quoten sanken, und viele Zuschauer nahmen der Moderatorin ihre Entschuldigung nicht ab. Nach 19 Staffeln endete die Show 2022 endgültig. Der Fall gilt bis heute als Lehrbeispiel dafür, wie weit sich ein mediales Image von der Realität hinter den Kulissen entfernen kann – und wie schnell Glaubwürdigkeit verloren geht, wenn Missstände zu spät erkannt werden.
Ein dunkler Schatten über dem Cheerleading – Cheer
Als Netflix Anfang 2020 die Doku-Serie Cheer veröffentlichte, war sie ein Überraschungserfolg. Sie zeigte das harte Training, den Teamgeist und die Opferbereitschaft der Cheerleader der Navarro College Cheer Squad in Texas. Schnell wurde Teilnehmer Jerry Harris zum Publikumsliebling – charismatisch, humorvoll, scheinbar authentisch. Doch im September 2020 änderte sich alles: Das FBI nahm Harris wegen Besitzes und Verbreitung von kinderpornografischem Material fest. Die Ermittlungen ergaben, dass er mehrere minderjährige Jungen über soziale Medien kontaktiert hatte.
2022 wurde Harris zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Netflix entschied sich, die zweite Staffel von Cheer trotzdem zu veröffentlichen – diesmal mit einem offenen Umgang mit dem Skandal. Der Fall wurde thematisiert, die Teammitglieder sprachen über Schock, Enttäuschung und Verantwortung. Damit entwickelte sich Cheer von einer inspirierenden Sport-Dokumentation zu einem ernsten Kommentar über Vertrauen, Vorbilder und die Grenzen medialer Heldenverehrung.
Der Fall zeigt exemplarisch, wie schnell gefeierte Persönlichkeiten in der modernen Medienwelt fallen können – und wie wichtig es ist, dass Dokumentationen nicht nur Ruhm zeigen, sondern auch die Schattenseiten offenlegen.
Fazit: Skandale verändern die Fernsehlandschaft
Jeder dieser Fälle steht für ein Kapitel Fernsehgeschichte, in dem Grenzen überschritten wurden – vor oder hinter der Kamera. Ob moralisch, organisatorisch oder rechtlich: Skandale führen oft zu Reformen, neuen Standards und offeneren Diskussionen über Macht, Verantwortung und Ethik im Entertainment-Business. Am Ende bleibt die Erkenntnis: Fernsehgeschichte schreibt sich nicht nur in Quoten, sondern auch in den Momenten, in denen alles aus dem Ruder läuft.
R. G., 20.10.2025