Interessante Seriencharaktere: Clarke Griffin
Charakterisierung
Clarke Griffin ist die zentrale Protagonistin der postapokalyptischen Science-Fiction-Serie The 100 und verkörpert eine der komplexesten weiblichen Serienfiguren ihrer Zeit. Zu Beginn der Serie ist Clarke eine idealistische Jugendliche mit starkem moralischem Kompass, ausgebildet in Medizin und Tochter der Ärztin Abby Griffin. Sie wird gemeinsam mit 99 weiteren Jugendlichen aus der Raumstation Ark zur Erde geschickt, um die Lebensfähigkeit des Planeten nach einer nuklearen Katastrophe zu testen. Anfangs tritt sie als pragmatische Stimme der Vernunft auf – analytisch, rational und empathisch. Doch je mehr Verantwortung sie übernimmt, desto stärker wird sie mit Situationen konfrontiert, in denen moralische Prinzipien mit dem Überleben kollidieren.
Im Laufe der sieben Staffeln entwickelt sich Clarke von einer friedensorientierten Vermittlerin zu einer oft isolierten Führungsfigur, die bereit ist, schwerwiegende Entscheidungen zu treffen – auch auf Kosten anderer. Ihre Handlungen reichen von strategischem Kalkül bis hin zu gnadenlosen Maßnahmen, etwa wenn sie den Hebel zur Zerstörung von Mount Weather betätigt, um ihre Freunde zu retten. Diese Entscheidung bringt ihr sowohl Anerkennung als auch Schuldgefühle ein – ein Spannungsverhältnis, das sich durch ihr gesamtes Handeln zieht.
Clarke ist emotional tief geprägt von Verlusten, Verrat und eigener Schuld. Ihre Beziehung zu anderen Figuren ist oft von Verantwortungsdruck überschattet, was sie innerlich zunehmend vereinsamen lässt. Dennoch behält sie in kritischen Situationen einen klaren Blick und gilt als charismatische Anführerin, die auch unter extremem Druck handlungsfähig bleibt. Der Spitzname „Wanheda“ (Kommandantin des Todes), den sie sich nach dem Massaker an Mount Weather erwirbt, symbolisiert diese düstere Transformation und ist Ausdruck sowohl von Macht als auch von Angst.
Gleichzeitig bleibt Clarke über die Staffeln hinweg eine Figur, die nach Erlösung und innerem Frieden strebt. Sie kämpft nicht nur gegen äußere Feinde, sondern auch gegen die Traumata ihrer eigenen Entscheidungen. Ihre innere Zerrissenheit, der ständige Konflikt zwischen Ethik und Notwendigkeit, macht sie zu einer tief humanen Figur. Clarke ist nicht unfehlbar – und genau darin liegt die Faszination: Sie verkörpert die Last der Führung in einer Welt, in der es kein „richtig“ mehr gibt, sondern nur das kleinere Übel.
Darstellerin
Gespielt wird Clarke von der australischen Schauspielerin Eliza Taylor. Ursprünglich als Nebenrolle konzipiert, entwickelte sich Clarke zur tragenden Figur der Serie. Taylor verkörperte Clarke in allen 7 Staffeln mit großer emotionaler Bandbreite – von verletzlich bis gnadenlos. Ihre Darstellung wurde mehrfach für Fan-Awards nominiert und ist ein wesentlicher Grund für den internationalen Erfolg der Serie.
Beliebtheit
Clarke Griffin zählt zu den beliebtesten Figuren im Science-Fiction-Seriengenre der 2010er-Jahre. Besonders bei jungen Erwachsenen fand ihre Entwicklung großen Anklang. Ihre moralisch komplexe Figur wurde häufig in Diskussionen über Female Empowerment und psychologische Charaktertiefe hervorgehoben. Auch in Fanforen und sozialen Medien war sie über Jahre hinweg eine zentrale Identifikationsfigur. Kritisiert wurde lediglich, dass ihre Handlungsentscheidungen in späteren Staffeln teils überzeichnet wirkten.
Beziehungen zu anderen Charkateren
Clarke Griffins Beziehungen spielen eine zentrale Rolle für ihre emotionale Entwicklung in The 100. Bereits in der ersten Staffel entsteht eine intensive Verbindung zu Finn Collins, einem charismatischen Mitinsassen unter den 100 Jugendlichen. Ihre Beziehung beginnt in einem Moment gegenseitiger Nähe und Hoffnung, wird jedoch tragisch überschattet von Finns Bindung zu einer anderen, von seiner späteren psychischen Belastung und schließlich seinem gewaltsamen Tod. Finns Verlust ist für Clarke ein tiefgreifendes Trauma und markiert den Beginn ihrer inneren Abkehr von persönlichen Bindungen.
Eine der bedeutendsten und am meisten diskutierten Beziehungen der Serie ist jene zwischen Clarke und Lexa, der Heda – Anführerin der Grounder. Was als vorsichtige Allianz beginnt, entwickelt sich zu einer tiefen emotionalen Bindung zwischen zwei Frauen mit vergleichbarem Führungsdruck. Lexa erkennt in Clarke eine gleichwertige Partnerin – rational, mutig, geopolitisch denkend –, während Clarke in Lexa jene versteht, die das Wohl vieler über persönliche Gefühle stellen muss. Ihre Beziehung war nicht nur intensiv und glaubwürdig inszeniert, sondern hatte auch über die Serie hinaus Einfluss: Sie wurde als Meilenstein queerer Repräsentation im US-Fernsehen gefeiert. Lexas plötzlicher Tod löste eine Debatte über das „Bury Your Gays“-Narrativ aus, verstärkte jedoch rückblickend die Bedeutung ihrer Beziehung innerhalb der Serie.
Die Verbindung zwischen Clarke und Bellamy Blake gehört zu den emotional komplexesten Dynamiken der Serie. Was als Zweckgemeinschaft beginnt, wächst über sieben Staffeln zu einer tiefen Vertrauensbasis. Sie ergänzen sich strategisch, moralisch und oft auch emotional. Während viele Fans in „Bellarke“ eine unterschwellige Romantik sahen, betonte die Serie stets die besondere Loyalität und das gegenseitige Verständnis zwischen beiden Figuren – ohne die klassische Umsetzung einer Liebesgeschichte. Ihre Beziehung erfährt in Staffel 7 einen tragischen Bruch, der sowohl Clarke als auch das Publikum erschüttert.
Clarke begegnet zudem kurzzeitig Cillian, einem Medizinstudenten, der sie in Staffel 6 zunächst rettet, sich jedoch als Teil einer radikalen Gruppierung entpuppt. Die Interaktion ist kurz, aber bezeichnend für Clarkes Misstrauen und emotionale Vorsicht in späteren Staffeln.
Eine besondere, nicht-romantische Beziehung besteht zu ihrer Adoptivtochter Madi, die sie im Verlauf von Staffel 5 aufnimmt. Die Bindung zwischen Clarke und Madi ist geprägt von Fürsorge, Opferbereitschaft und einem starken Beschützerinstinkt. Madi wird für Clarke zum moralischen Kompass und zur letzten Quelle bedingungsloser Liebe – gleichzeitig aber auch zum Schwachpunkt, der Clarke zu radikalen Entscheidungen zwingt. Die Mutterrolle verleiht Clarkes Figur neue Facetten und unterstreicht die emotionale Tiefe ihrer Entwicklung.
Insgesamt spiegeln Clarkes Beziehungen die zentralen Themen der Serie wider: Verantwortung, Verlust, Loyalität und das Ringen zwischen persönlichem Glück und kollektiver Pflicht. Sie bleibt stets hin- und hergerissen zwischen der Sehnsucht nach Nähe und der Notwendigkeit, sich abzugrenzen – ein Spannungsfeld, das ihre Figur über sieben Staffeln hinweg prägt.
Buchvorlage & Serienabweichung
Die Figur Clarke basiert lose auf der gleichnamigen Protagonistin aus Kass Morgan’s Romanreihe The 100, unterscheidet sich jedoch deutlich in Ausrichtung und Charakterentwicklung. In den Büchern ist Clarke medizinisch stärker aktiv, während sie in der Serie zunehmend als militärische Führerin auftritt. Auch viele zwischenmenschliche Konstellationen – etwa die Beziehung zu Lexa – existieren in der Romanvorlage nicht.
Queere Neuinterpretation
Clarke Griffin gilt als eine der ersten offen bisexuellen Hauptfiguren in einer US-amerikanischen Network-Serie. Ihre sexuelle Orientierung wird in The 100 nicht plakativ thematisiert, sondern organisch in die Handlung eingebettet. Besonders bemerkenswert ist, dass ihre Bisexualität weder zur Sensationsdarstellung genutzt noch als bloßes Handlungselement eingeführt wird – vielmehr ist sie ein integraler Teil ihrer Persönlichkeit, die mit Ernsthaftigkeit und Selbstverständlichkeit dargestellt wird.
Die Beziehung zwischen Clarke und Lexa – Anführerin der Grounder – wurde zum kulturellen Wendepunkt in der Darstellung queerer Figuren im Genrefilm- und Serienbereich. Ihre Verbindung basiert nicht auf Klischees, sondern auf gegenseitigem Respekt, politischer Gleichrangigkeit und emotionaler Komplexität. Sie ist eine Liebesgeschichte, die innerhalb einer gefährlichen Welt entsteht, in der beide gezwungen sind, persönliche Gefühle hinter politische Notwendigkeiten zu stellen. Gerade diese Konstellation verlieh der Beziehung Tiefe und Tragik.
Lexas überraschender Serientod in Staffel 3, nur kurz nachdem sich das Paar endlich zueinander bekannt hatte, löste jedoch weltweite Kritik aus. Viele Zuschauer und queere Aktivistinnen empfanden die Entscheidung als ein weiteres Beispiel für das sogenannte „Bury Your Gays“-Narrativ – ein Muster in TV-Produktionen, bei dem queere Figuren häufig getötet werden, sobald sie emotionales Glück erfahren. Die Kritik war so massiv, dass sich Showrunner Jason Rothenberg öffentlich entschuldigte. Zugleich führte die Debatte zu einem verstärkten Bewusstsein innerhalb der Branche für verantwortungsvollere queere Repräsentation.
Trotz dieser Kontroverse bleibt Clarke eine identitätsstiftende Figur für viele Zuschauerinnen und Zuschauer aus der LGBTQ+-Community. Ihre Bisexualität wurde weder zurückgenommen noch in späteren Staffeln marginalisiert. Vielmehr ist sie eine Heldin, deren queere Identität gleichberechtigt neben ihren Führungsqualitäten, ihrer moralischen Ambivalenz und ihrer emotionalen Tiefe steht.
Clarke Griffin hat damit eine neue Erzählform mitgeprägt: die der queeren Anführerin in einem postapokalyptischen Setting – weder stilisiert noch reduziert, sondern menschlich, glaubwürdig und tragisch. Ihr Vermächtnis reicht über die Serie hinaus: Sie steht für eine Generation an Figuren, die nicht durch ihre Sexualität definiert werden, sondern durch das, was sie tun – und wen sie lieben.